Themenwoche Vorsorge & Trennung - Ein Gastbeitrag von Betül Gülşen
Das Wichtigste zuerst - warum der Ehevertrag wichtiger ist als der Antrag
Neulich bin ich über einen Beitrag auf Instagram gestolpert, der eingeleitet wurde mit der Überschrift: "Er hat mir endlich die Frage aller Fragen gestellt."
Instinktiv las ich den Beitrag durch, getrieben von der akribischen Hoffnung, bei der Frage aller Fragen - also der alles entscheidenden, wichtigsten aller Fragen - werde es sich um die Frage nach der konkreten Ausgestaltung des Ehevertrages handeln. Ich wurde enttäuscht: es ging lediglich um einen Heiratsantrag. Auf Knien und mit Diamantenring, versteht sich.
Wenn ich das Thema Ehevertrag in meinem Umfeld anspreche, ernte ich schockierte Blicke und Entrüstung. "Das ist total unromantisch!", muss ich mir immer anhören - von Frauen wie von Männern.
Zugegeben, als Juristin habe ich etwas für Verträge übrig. Aber neben meinem unromantischen Fetisch gibt es eine ungeheure Menge an weiteren Gründen, die für den Ehevertrag sprechen.
Klar, im besten Fall sind wir liebende und geliebte Ehefrauen, ebenfalls liebende und geliebte Mütter und nichts kann je wichtiger sein als das Wohlergehen unserer Kinder (leider in den meisten Fällen nicht einmal unser eigenes Glück).
Aber daneben sind wir eben auch noch etwas anderes: Unternehmerinnen. Unser Unternehmen kann - und wird! - wachsen. Das ist nun einmal was Unternehmen naturgemäß tun.
Wenn wir uns nun den gesetzlichen Fall des Zugewinns ansehen, wird die Differenz der Ehegatt*innen der in der Ehe erwirtschafteten Vermögenswerte halbiert. Der Überschuss muss dann durch Zahlung ausgeglichen werden.
Ich könnte also per Zugewinnausgleich Geld an meinen Ex-Partner zahlen, der dieses dann im Falle einer neuen Beziehung mit neuer Familie verbrauchen könnte. Oder ich stelle per Ehevertrag sicher, dass das Erbe an meine Kinder - und nur an die! - geht.
Der Einwand, ein Ehevertrag würde das Vertrauen in der Ehe von Anfang an zerstören und die Atmosphäre abkühlen, ist ein häufig eingebrachter. Ich halte von diesem Scheinargument allerdings recht wenig. Ich kenne keine Ehe die am Ehevertrag selbst scheitert. Wenn ein solcher einer Beziehung etwas anhaben kann, dann war die Beziehung vermutlich von Anfang an nicht sonderlich stabil. Diese Zeilen schreibe ich im Übrigen gerade im Zug auf der Rückfahrt von einem Scheidungstermin eines Architektenpärchens, das einen solchen Vertrag vereinbart hatte. Der Termin hat 5 Minuten gedauert - denn es war ja alles bereits geklärt. Und es wurde keine Schmutzwäsche vor Gericht gewaschen. Angenehm für alle Beteiligten, insbesondere die sich Scheidenden.
Ich denke wir sind uns einig, dass die wenigsten Menschen eine Ehe eingehen mit dem Gedanken, dass diese eines Tages scheitern könnte. Jede von uns schwebt auf Wolke 7 beim Ja-Wort und selbstverständlich sind wir die eine Ausnahme zu den Scheidungsfällen in unserem Umfeld. Aber was, wenn es alles anders kommt? Sollten wir nicht gerade für diesen Fall abgesichert sein? Ein liebender Partner wird immer das Beste für seine Partnerin wollen - und umgekehrt natürlich auch. Welchen besseren Zeitpunkt kann es also für den Abschluss eines Ehevertrages geben als der Zeitpunkt, zu dem wir uns am aller besten mit unserem Partner verstehen?
Und wenn es nie zur Trennung kommt, dann ist es nunmal ein Stück Papier, das uns mit jedem weiteren Jahr glücklicher Ehe ein breiteres Schmunzeln auf die Lippen legt.
Privat habe ich auch bereits alles vertraglich geklärt. Die wichtigste Frage - die Frage aller Fragen bei uns - wurde bei uns zu Hause schon festgehalten: im Falle einer Trennung bekomme ich die Katze. :)
Mehr von und über Betül: www.kanzlei-guelsen.de
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